4. Tag – Montag 18.07.2016 Seyðisfjörður (Island)
In der Nacht hatte sich das Meer beruhigt und am Morgen gegen 8 Uhr fuhr unser Dampfer bei herrlichstem Wetter ein in den 12 Kilometer langen an der Ostküste Islands gelegenen Fjord Seyðisfjörður ([ˈsɛɪðɪsfjœrðʏr] deutsch: Fjord der Feuerstelle).
Ob in Norwegen, Chile oder eben hier in Island, die Fahrten mit dem Schiff durch die engen Fjorde mit den steil aufragenden Bergen ist immer wieder schön und man steht an der Reling und kann sich nicht sattsehen. Diese Faszination fotografisch einzufangen gebe ich bestimmt irgendwann einmal auf, es gelingt mir einfach nicht.
Am Ende des Fjords Seyðisfjörður liegt die kleine gleichnamige Ortschaft mit übersichtlichen 650 Einwohnern. Hier machen wir gegen 9:00 Uhr an der Pier fest.
Große Aufgaben stehen für diesen Tag an:
- Handschuhe kaufen
- Internetzugang suchen
- Ort besichtigen.
Punkt (1) wurde auf die Tagesordnung gesetzt, weil mittlerweile aufgefallen ist, nachdem man in der Kabine langsam Ordnung geschaffen hat und gewisse Dinge ihren festen Platz gefunden haben und man sie somit auch wieder sofort findet, dass nirgendwo meine Handschuhe einsortiert wurden. Sie sind also entweder noch zu Hause, obwohl ich zu 100% weiß, dass ich sie zum einpacken rausgelegt habe oder sie sind noch im Koffer und haben sich vor dem auspacken erfolgreich versteckt. Die Koffer sind aber mittlerweile vom Kabinensteward irgendwo auf dem Schiff in einem Depot verstaut worden.
Bei den Überlegungen über den Verbleib der Handschuhe fiel auf, dass auch ein Schirm und der schöne gelbe Südwester abgängig sind. Handschuhe wird man in Grönland, z.B. bei der Bootsfahrt durch den Eisfjord in Ilulissat mit Sicherheit brauchen. Wenn das Wetter dem Kreuzfahrer gut gesonnen ist, sind Südwester und Regenschirm entbehrlich.
Bei Sonnenschein verließen wir das Schiff, um den Ort zu erkunden. Eine kleine Holzkirche, ein paar bunte Häuschen, das war eigentlich schon alles was zu besichtigen war.
Kurz hinter der Kirche befand sich ein Campingplatz, zu dem auch ein festes Steingebäude gehörte, dessen Aufenthaltsraum unser besonderes Interesse weckte, denn davor und darinnen saßen Leute, die sich mit ihren Smartphones und Laptops beschäftigten. Dort hing auch ein gut sichtbares Schild, auf dem das WLAN-Passwort prangte, was uns aber nichts nutzte. Denn unsere Frage, ob wir hier ins Internet schlüpfen könnten, wurde abschlägig beschieden: „Nur für Camper.“
Den nächsten Versuch starteten wir in einem kleinen Hotelrestaurant. Dort gab es Internet und dort durften wir auch, wenn auch nicht gleich und sofort. Denn ein Netzwerktechniker erklärte und, dass das Netz gerade „down“ sei, er aber das Problem in 5 Minuten behoben sei. Trotz meiner langjährigen beruflichen Erfahrungen mit Netzwerktechnikern glaubte ich ihm dummeweise. Netzwerktechniker sind nämlich Menschen, die nie vor einer Computertastatur sitzen, sondern sie knien immer davor. Sie sind auch nicht sehr kommunikativ und verweigern meist, Bescheid zu sagen, wenn eine Reparatur oder Fehlerbehebung erfolgreich beendet wurde. Sie stehen vielmehr auf dem Standpunkt, der Anwender soll halt immer mal wieder probieren, ob das Netz wieder funktioniert.
Langer Rede kurzer Sinn, wir bestellten uns jeder einen Cappuccino für 5 € die Tasse (meine Leser sind mir nicht nur lieb, sondern auch teuer), um in 5 Minuten das Hoteleigene WLAN nutzen zu können. Aber wie gesagt, die Netzwerktechniker….
Nach einer ¾-Stunde ohne irgendwelche Infos über die Fortschrittsbemühungen sind wir dann unverrichteter Dinge gegangen…
… und kamen an einem Supermarkt. In der Krimskrams-Abteilung gab es zwar Strickwolle, aber keine Handschuhe.
Schließlich entdeckten wir noch die Tourist-Info, hier gab es eine Cafeterria mit Tischen und Stühlen, freiem, schnellem kostenlosem WLAN, sauberen Toiletten, also alles was ein Touristenherz begehrt. So kam es, dass es „Blogeintrag 01“ schließlich doch noch ins Internet geschafft hat.
Gleich hinter dem Ort stiegen die Berge steil an wo auch ein Schmelzwasserbach einen kleinen Wasserfall bildete und dann weiter ins Meer floss. Über einen steilen Trampelpfad gelangten wir den Abhang hinauf zum Wasserfall. Unterwegs beobachteten wir eine Frau, die von den vielen violetten Lupinen die Blütenblätter abstreifte und in einem Beutel sammelte, was natürlich prompt unsere Neugier weckte. Die Frau gab auch bereitwillig Auskunft. Mit den Blüten könne man Farbe zum Färben von Wolle herstellen.
Nach dieser kleinen Bergwanderung war es auch schon wieder Zeit zurück zum Schiff zu gehen. Da wir auf Grund unseres Landgangs das Mittagessen ausfallen lassen mussten, bot es sich jetzt an, sich bei der Kaffeestunde verdientermaßen mit Sandwichs und Kuchen zu stärken.
Um 17:00 Uhr legte das Schiff ab. Die Passage durch den Fjord zum offenen Meer beobachtete ich durch das Panoramafenster im Fitnessraum auf Deck 8, sitzend und strampelnd auf dem bereits erwähnten prähistorischen Trimm-Dich-Rad:
Den Abend ließen wir gemütlich im Captain’s Club ausklingen.
5.Tag – Dienstag 19.07.2016 Akureyri (Island)
Über Nacht fuhr unser Schiff weiter an die Nordküste von Island in die Stadt Akureyri.
Akureyri ist mit 18.000 Einwohnern schon ein anderes Kaliber als Seyðisfjörður.Auch das Wetter war ein anderes, bewölkt, kühl und leichter Nieselregel.
Der Vormittag war für einen kleinen Stadtbummel vorgesehen. Seltsamerweise gelangt man als Tourist, wenn man sich einfach treiben lässt, automatisch in touristische Viertel, wo es außer Restaurants, Cafés und Souvenirshops nichts anderes gibt, wie zum Beispiel ein Kaufhaus, wo man Handschuhe kaufen könnte.
Also musste der Kauf in einem dieser Andenkenläden getätigt werden. Vom Erwerb eines Schirmes mit der Aufschrift „ICELAND“ für umgerechnet 30 € nahm ich dann aber doch Abstand. Ein in Größe und Qualität entsprechendes Paraplü kann man in Deutschland bei Rossmann oder in der DM-Drogerie für 2,90 € erwerben, allerdings ohne die Aufschrift „ICELAND“. Ja, Island ist teuer. Beim isländischen Italiener kostet zum Beispiel die Portion Spagetti Bolognese so um die 2500 Kronen, das sind umgerechnet etwa 20 Euro.
Und was den Schirm anbetraf. Wir beschlossen einfach, dass es die nächsten 2 ½ Wochen nicht regnen wird.
Eine der Sehenswürdigkeiten der Stadt ist eine moderne Kirche, die man über 112 Stufen erreichen kann (Doris hat gezählt).
Fürden Nachmittag hatten wir einen Ausflug gebucht: „Mývatn Nature Bath“.
Hierbei handelt es sich um ein natürliches Thermalbad, vergleichbar mit der mehr im Süden Islands gelegene sehr bekannten „Blaue Lagune“
Mit dem Bus fuhren wir zunächst es 1 ½ Stunden durch unterschiedlichste Landschaften. Viel Grün, überall verstreut kleine Grüppchen von Schafen und ab und zu eine kleine Herden von Islandpferden. Die Fahrzeit verging wie im Flug
In der Nähe unseres Ziels liegt mitten in einer bizarren Vulkanlandschaft der See Mývatn (deutsch: „Mückensee“), der Namensgeber des Thermalbads. Vom Bus aus sah man tatsächlich riesige Mückenschwärme. Die Viecher sollen zwar nicht stechen, können aber sehr lästig werden.
Die Werbeschrift für dieses Naturthermalbad befreit mich von der Aufgabe, selbst formulieren zu müssen:
„Der geschmackvoll gestaltete Komplex lädt ein zu einem entspannten Bad im naturbelassenen Thermalwasser, umhüllt von Wasserdampf, der aus einer Spalte tief aus dem Erdinneren emporsteigt. Das warme wohltuende Wasser enthält eine einzigartige Zusammensetzung aus Mineralien, kieselsauren Salzen und geothermischen Mikroorganismen und trägt zum Wohlbefinden von Körper und Geist gleichermaßen bei.“
Vor dem Wohlbefinden von Körper und Geist musste man aber erst den Umkleide- und Duschbereich passieren, natürlich Männlein und Weiblein getrennt und das war auch gut so, denn es handelte sich um eine Gemeinschaftsdusche und einen Gemeinschaftsumkleideraum, in dem sich auch die Schließfächer für Klamotten etc. befanden. Und Duschen sollte man nur ohne Badebekleidung, so lautete hier die Vorschrift, welche bei den Männern auch eingehalten wurde. Bei den Damen war man etwas schamhafter und nahm es mit der Vorschrift nicht so genau, wie mir berichtet wurde. Hier duschte ein Großteil der Badenixen mit Badeanzug.
Das Baden war wirklich angenehm. Mollige 40 Grad und das Ausflugsprogramm ließ uns auch genügend Zeit für diesen Badespaß.
Meine geneigten Leser mögen mir nachsehen, dass ich nicht, wie zwei oder drei der Badegäste mit dem Handy im Wasser sehr authentische Fotos geschossen habe. Mir war das einfach zu blöd, die ganze Zeit mit weit erhobenen Arm durch das bläulich schimmernde Wasser zu stapfen, das einem doch teilweise bis zum Hals reichte.
Auf der Rückfahrt wurde noch ein kurzer Fotostopp von 15 Minuten am Goðafoss Wasserfall, einer der berühmtesten Wasserfälle Islands, eingelegt.
Er stürzt über einer Breite von ca. 30 m etwa 12 m in die Tiefe. Wieder wirklich sehr beeindruckend, wenn der Eindruck auch nur sehr kurz war. Knips, knips, wieder rein in den Bus und ab zum Schiff. Um 19 Uhr waren wir zurück und um 20 Uhr legten wir ab – Ziel Grönland!
Und schon war wieder ein schöner und ereignisreicher Tag zu Ende.
6.Tag – Mittwoch 20.07.2016 Seetag
Heute war ein ganz normaler Seetag ohne irgendwelche besondere Höhepunkte – praktisch Urlaub im Urlaub.
Ich habe auch bisher Waldorf und Statler nicht Bemühen müssen, die, wann immer sie in meinem letzten Blog aufgetaucht sind, auf einen Missstand, Ärgernis oder Ähnliches hingewiesen haben.
Man hat sich mit dem Hämorrhoidengenerator im Fitnessraum irgendwie arrangiert, das Essen ist OK, das Frühstück sogar ausgezeichnet, die Mitreisenden sind in der Regel auch in Ordnung (abgesehen von einigen Ausnahmen, die gibt es immer), also Reisender, was willst Du mehr.
Was uns ärgern könnte, wären die lieblos vom Concierge der Astor verfassten Landgangsinformationen, ein Din A4 Blatt, das am Vorabend verteilt wird, wenn am nächsten Tag ein Hafen angelaufen wird. Die Informationen bestehen lediglich aus irgendwelchen Reiseführern oder dem Internet willkürlich entnommene Passagen, die für unseren speziellen Aufenthalt bezüglich Aufenthaltsdauer und Lage des Schiffs so gar nicht passen wollen. Beispiel gefällig?
Für morgen steht ein kurzer, 3-stündiger Aufenthalt in Tasiilaq an, wobei noch getendert werden muss, was eine Nettoaufenthaltsdauer von ca. einer Stunde an Land bedeutet. Und was schreibt unser Concierge: „Nicht weit von Tasiilaq entfernt liegt der hübsche Fjord Sermilik. Grandiose Eisberge von den kalbenden Gletscherkanten füllen diesen Fjord. Der Wow-Faktor ist hier groß und der Fjord wird einen bleibenden Eindruck bei Ihnen hinterlassen“
Nein, er wird keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, der Fjord, denn da kommen wir ja gar nicht hin! Ein Paradebeispiel für eine lediglich „akademische“ Information, aber ohne praktischen Nutzen für den Landgänger. Aber soll man sich darüber wirklich ärgern?
Erwähnenswert ist vielleicht, dass unsere Getränkekellnerin Mariia heißt – Mariia mit zwei „i“. Als wir unserer Verwunderung über das zweit „i“ kund gaben, sagte Mariia, dass sie sich auch darüber wundere, denn eigentlich heiße sie ja Maria. Das ominöse „i“ sei irgendwie in ihren (ukrainischen) Pass gekommen, sie weiß auch nicht warum und die Namensschildchen der Crew werden eben auf Grund der Einträge im Pass erstellt.
Ach ja, am Abend gegen 22:00 Uhr, es ist in dieser Region noch taghell und die Sonne scheint, sichten wir unseren ersten Eisberg.
In der Nacht wurde die Uhr noch einmal um eine Stunde zurückgestellt. Jetzt hinkten wir schon 4 Stunden gegenüber Deutschland hinterher. Der vermeintliche Vorteil, jetzt noch einmal eine Stunde länger schlafen zu dürfen wird sich auf der Rückfahrt bitter rächen, wenn man uns dann an vier Tagen hintereinander die scheinbar gewonnene Zeit wieder Stunde für Stunde, Minute für Minute und Sekunde für Sekunde zurückzahlen lässt.
7.Tag – Donnerstag 21.07.2016 Tasiilaq
Gegen 8:00 Uhr erreichen wir die Bucht von Tasiilaq, rundum etliche Eisberge. Und die Sonne schien! Tasiilaq ist die Hauptstadt Ostgrönlands. Hier leben über 2000 Menschen, für grönländische Verhältnisse eine Metropole. Und wenn man bedenkt, dass Ostgrönland lediglich 3500 Einwohner zählt, bekommt man eine Vorstellung, wie dünn die Ostküste besiedelt ist. Ganz Grönland hat etwa 56.000 Einwohner.
Die Aufenthaltsdauer war von 9:00 – 12:00 Uhr geplant. Und obwohl die ASTOR ein sehr kleines Kreuzfahrtschiff ist, konnte sie dennoch nicht im Hafen anlegen, sondern musste in der Bucht ankern und der Transport der Leute erfolgte mit den Tenderbooten. Tenderboot ist die Bezeichnung für Rettungsboote, die als Transportshuttle zwischen Astor und Land eingesetzt werden.
Der letzte Tender vom Land zum Schiff war für 11:30 Uhr angesetzt. Das alles zeigt, dass der Aufenthalt an Land sehr kurz sein würde.
Am Morgen (ab 7:30 Uhr) wurden an der Rezeption Tenderkarten ausgegeben. Wir ergatterten um 7:35 Uhr 2 Tenderkarten mit dem Buchstaben „E“, die Kategorien „A“ bis „D“ waren schon vergriffen, dafür mussten wir aber auch nicht mehr in der sehr sehr langen Warteschlange stehen, die sich wohl so ab 7 Uhr gebildet haben musste, sich mittlerweile aber wieder aufgelöst hatte. Ob auch Leute mit Schlafsack schon am Vorabend vor der Rezeption campiert haben, kann ich so nicht bestätigen. Mit 8 Fuhren konnten alle Passagiere an Land gebracht werden, d.h. es gab auch noch Tickets „F“, „G“ und „H“. Ab 8:45 Uhr ging alle 10 Minuten ein Boot an Land, sodass wir (die „E“-Gruppe) um 9:45 Uhr dran waren. Das „Befüllen“ des Tenderbootes war sehr gut organisiert. Endlich war mal jemand von der Reiseleitung abgestellt, im Boot dafür zu sorgen, dass die Leute nach hinten durchrutschten und nicht gleich vorne sitzen blieben, sodass die anderen Leute über sie steigen mussten. Das traf besonders die Hardcore-Fotografen sehr hart, denn sie sind überzeugt, dass man das ultimative Foto nur vom Einstieg aus einem fahrenden Tenderbootes machen kann. Und wenn es doch einer geschafft hatte, an der Aussichtsluke zu sitzen und er während der Fahrt aufstand, um sich fotografierende an die Luke zu stellen, wurde er höflich aber bestimmt vom Bootsführer aufgefordert, sich wieder hinzusetzten.
Das haben wir bisher so nie erlebt. Bisher herrschte immer eine gewisse Anarchie beim Ein- und Aussteigen und auch während der Fahrt.
Tasiilaq war eine typische grönländische Siedlung mit den bunten Häusern. Gleich von der Anlegestelle führten steile Sträßchen und Wege in den Ort und wo es besonders steil wurde, ersetzten hölzerne Treppen die Wegführung.
Zunächst wurde ein Supermarkt inspiziert und als nächstens ein Geschäft mit typisch grönländischen Souvenirs. Hier gefiel uns ein kleiner handgeschnitzter Eisbär. Allerdings war er aus Walrossstosszahn hergestellt und somit die Einfuhr in die EU verboten. Also beließen wir unsere Einkäufe bei Postkarten und Briefmarken. Ja, so etwas gibt es im Zeitalter von WhatsApp und Email tatsächlich auch noch, die Älteren unter uns werden sich vielleicht noch daran erinnern.
Weiter ging es die steile Straße hinauf, wo sich die Kirche befand. Sie wurde 1985 gebaut und bestach besonders innen durch ihr geschmackvolles Design in hellem Holz.
Neben der Kirche befand sich ein steinerner Hügel, der von den meisten Leuten auch bestiegen wurde. Hier hatte man einen wunderschönen Rundblick über die Bucht, den Hafen und den gesamten Ort.
An dieser Stelle war auch der kleine Landausflug schon zu Ende, denn um 11:30 sollte ja der letzte Tender vom Land zum Schiff abgehen. Da aber ca. 300 Leute mit dem letzten Tender zurückfahren wollte und wegen des niedrigen Wasserstands – es herrschte Ebbe - das Boot nur mit maximal 60 Heimkehrern besetzt werden konnte, fuhr der letzte Tender eben noch 5 mal. Wenn man das vorher gewusst hätte! Man hätte den 11:30-Zapfenstreich locker um eine halbe Stunde überziehen können.
Der Rest des Tages ist aus Erzählsicht eher belanglos. Ein Besuch des Fitnessraums auf Deck8, anschließend ein klein wenig Schwimmen im kleinen Hallenbad auf Deck 3, ein bisschen was für den Blog schreiben, Fotos sichten usw. usw.
Was in der Welt vor sich geht bekommen wir nicht mehr mit. Zurzeit gibt es auf dem Schiff keinen Satellitenempfang, sodass auch die bordeigene Tageszeitung (4 DinA4-Seiten), die so ihren Weg aufs Schiff findet, nicht erscheinen kann. Fernsehempfang klappt auch nicht mehr, von der Internetverbindung ganz zu schweigen. Aber das stört uns eher wenig, denn wir haben wieder mal einen schönen Tag auf der Habenseite.
8.Tag – Freitag 22.07.2016 Passage Prinz Christian Sund
Zwar war heute kein Landgang angesagt, aber ein normaler Seetag war es auch wieder nicht, denn gegen 11:30 Uhr fuhren wir in den Prinz Christian Sund ein. Ab dem gestrigen Nachmittag, die ganze Nacht und dem heutigen Vormittag fuhren wir mit südlichem Kurs die grönländische Ostküste “runter“. Um anschließend die Westküste Richtung Nord “rauf“ zu fahren muss man zuerst um die Südspitze von Grönland herum fahren. Das könnte man zumindest meinen, wenn man nur eine grobe Landkarte von Grönland hat (zum Beispiel einen Atlas), den in Wirklichkeit besteht die Südspitze aus einem dichtgepackten Konglomerat von kleineren und größeren Inseln und es gibt einen Seeweg quer durch diese Spitze von Ost nach West - den Prinz Christian Sund.
Und die Passage durch diesen Sund ist wieder einmal großartig, dass einem die Superlative ausgehen, wenn man versucht, die Eindrücke zu beschreiben.
Man stelle sich einen imposanten Fjord vor und dann muss man sich weiter vorstellen, dass der große Landschaftsbauer hier noch alles noch schroffer und noch ein wenig beeindruckender gestaltet hat.
Der Sund ist schmal, die Passage ist an der engsten Stelle nur 350 Meter breit und die Berge links und rechts sind hoch, bis zu 1000 Meter und mehr. Auf der Steuerbordseite, also dort, wo sich das grönländische Festland befindet, sieht man immer wieder Gletscherzungen, die sich bis zum Wasser des Sunds erstrecken. Und das passende Wetter wurde auch gleich frei Haus dazu geliefert. Sonne, kaum Wolken und mollige 15° Celsius. Meist herrscht Windstille, aber manchmal tauchen aus dem Nichts heftige kalte Böen auf.
Schiffsverkehr ist hier äußerst selten, doch heute kommt uns ein Forschungsschiff - die Neil Amstrong - entgegen. “Ein kleines Schiff für die Menschheit, ein großes Schiff für einen Menschen“ kalauert es in mir, ich bitte das höflichst zu entschuldigen
Doch mit dem „“Astronauten-Schiff“ war noch nicht Schluss, es kommt uns auch noch ein Verband von 5 Kajaks entgegen.
Nach 5 Stunden Fahrt verließen wir den Sund und erreichten wir die Westküste, wo wir unseren nächsten Hafen, Qeqertarsuaq ansteuerten, das schon ziemlich hoch Norden liegt. Fahrzeit bis dorthin ca. 48 Stunden.
Kaum hatten wir den Sund verlassen, kam dicker dichter Nebel auf, aber hier noch einige fotografische Impressionen von der Passage durch den Prinz Christian Sund. Es ist nicht leicht gefallen, aus den ca. 200 is und mir geschossenen Fotos, die vermeintlich Schönsten und Besten herauszusuchen. Aber wie ich bereits beim Fjord von Seyðisfjörður in Island erwähnt habe, können die Fotos, die wir geknipst haben, den tatsächlichen Eindruck gar nicht richtig wiedergeben.
9.Tag – Samstag 23.07.2016 Seetag
Der Nebel hat sich seit gestern Nachmittag nicht mehr gelegt und die Außentemperatur beträgt frische 8°, sodass man die Nase nicht allzu oft nach draußen steckt.
Ein typischer Seetag eben mit unserer typischen Seetag-Routine, die im Allgemeinen so aussieht:
Wecker klingelt um 7:30 Uhr. Jeweils eine ½ Stunde im Bad, erst Doris dann ich. Während ich im Bad bin, dreht Doris schon die ersten Runden auf den Außendecks. Mit Hilfe der mitgebrachten Walkie-Talkies erfahre ich nach meinem Badaufenthalt den aktuellen Standort von Doris - Bug oder Heck; Steuerbord oder Backbord; Deck 7, Deck 8 oder Deck9. Eine prima Sache, so brauchen wir uns nicht gegenseitig lange zu suchen. Dann geht’s zum Frühstück, was wiederum eine gute Stunde in Anspruch nimmt, denn Eier, Bohnen, Speck, Müsli, Melonen etc. müssen ja in Ruhe und in der richtigen Reihenfolge eingenommen werden.
Die Strafe für das üppige Frühstück folgt auf den Fuß - der Fitnessraum ruft. Eine halbe Stunde auf dem Fahrrad, anschließend ein paar Runden im Schwimmbad, Duschen, Umziehen, Kabine wieder aufräumen und schon ist es halb elf. Da ist nicht mehr viel Zeit bis zum Mittagessen, zu dem wir gegen 12:45 Uhr eilen.
Die Nachmittage könnten wir mit diversen Vorträgen über Flora, Fauna, Geologie, Völkerkunde etc. ausfüllen oder eine der vielen Animationsveranstaltungen besuchen. Aber meist suchen wir uns ein gemütliches Plätzchen, wo man Lesen, Fotos am PC sortieren oder sich sonst irgendwie beschäftigen kann (z.B. Blog-Berichte schreiben). Langweilig ist es uns bisher nie gewesen
10.Tag – Sonntag 24.07.2016 Qeqertarsuaq
Nebel, Nebel, Nebel. Aber immerhin nur noch 5 Monate bis Weihnachten.
Da wir Qeqertarsuaq erst gegen 17:00 Uhr erreichen werden, war erst noch mal Seetag-Routine angesagt. Wie die aussieht, habe ich ja bereits gestern skizziert. Ich denke nicht, dass ich das hier noch mal wiederholen muss. Für diejenigen, die den Ablauf schon wieder vergessen haben, hier der Link zur entsprechenden Stelle ☺ : Seetag-Routine
Ab 17 Uhr war an der Rezeption wieder die Ausgabe für die Tendertickets. Heute gab es nur Tickets von “A“ bis “E“ “. weil man für Qeqertarsuaq Ausflüge buchen konnte und es für die Ausflügler ein eigenes Ticketsystem gab. Obwohl ich genau um 17 Uhr an der Rezeption angekommen bin, war weit und breit kein Passagier zu sehen, der nach einem Ticket anstand. Ich erhielt Tickets für die Tenderfahrt “D“, also nur eine Fahrt vor dem Lumpensammler. Ich habe den schlimmen Verdacht, dass der ganze Ärger und Stress, der oft mit dem Tendern verbunden ist, einfach auf die Ticketvergabe verlagert wurde und wir das nur noch nicht mitbekommen haben, habe ich doch noch gestern den Ablauf des Tenders so gelobt. Morgen werde ich mal 5 Minuten vor der offiziellen Ausgabezeit da sein.
Gegen 19:15 Uhr habe ich endlich festen Boden unter den Füßen und kann die Besichtigung des Ortes angehen. Ich muss mich aber beeilen, um 21:00 geht der letzte Tender schon wieder zurück zum Schiff. Man kommt sich ein wenig vor wie ein Japaner, der “Europa in 3 Tagen“ gebucht hat. Doris ist nicht mitgekommen, bei ihr ist die obligatorische Schiffserkältung im Anmarsch, die mindestens einen von uns beiden auf fast jeder Schiffsreise erwischt. Liegt die Ursache in der Klimaanlage, die die Streptokokken gleichmäßig verteilt oder liegt es mehr an unseren Genen? Wir wissen es nicht. Der Ort ist, wie die meisten grönländischen Siedlungen eher unspektakulär.
Ein Supermarkt, eine Post und eine Kirche gehören zu Mindestausstattung eines jeden Ortes, aber alle drei Fazilitäten haben geschlossen, schließlich ist es Sonntagabend. Aber es ist sonnig, der Nebel ist weiter draußen auf See zurückgeblieben. Von den ca. 850 Einwohnern lässt sich auch kaum jemand blicken. Ein paar angekettete Schlittenhunde heulen manchmal um die Wette.In einer kleinen Bucht vor einem Eisberg tummelten sich drei, vier Wale. Immer wieder hörte man sie blasen und sah die Blasfontänen. Sie tauchten auch immer mal kurz auf und winken kurz mit ihrer Fluke bevor sie dann wieder abtaucthen. Leider ist der Zoom meiner Kamera zu schwach, um ein vernünftiges Foto zu schießen, deshalb müssen Sie sich halt mit einem Unvernünftigen zufrieden geben. Man hätte durchaus noch ein knappes Stündchen länger durch den Ort streunen können, aber der letzte Tender ruft. Zurück auf der MS ASTOR wurden auch bald die Anker gelichtet und kurze Zeit später hatten wir den uns mittlerweile gut bekannten Nebel wieder erreicht, der freundlicherweise auf uns gewartet hat.